Leseproben

Konrad Fischer
»Fischereimeister

 

„Gerader Rücken – gerades Wort.“

Der Anruf erreicht ihn vor Skagen. Beim Fischen. Auf seiner MARIA. Schlechte Verbindung, da schlechtes Wetter. „Wer? Was?Fotos? Jetzt nicht. Meld’ dich nächste Woche.“ Klack. Aufgelegt.Der Mann ist ein Freund klarer Worte. Konrad „Conny“Fischer ist einer der Letzten seines Standes, einer von circasechs Fischern in der Kieler Förde. Mehr blieben nicht übrig.Bitter für eine Stadt am Meer. Großvater, Vater, Schwiegervater– alles Fischer. Conny, 1948 geboren, stieg 1963 indie Fischerei ein. Und kotzte ein Jahr, bis sich sein Körperan das Meer gewöhnte, sein Sohn brauchte sogar anderthalbJahre. Der ist mittlerweile aus der berufsmäßigen Fischereiausgestiegen, fährt jetzt auf einem Forschungsschiff. Eine Alternative zum Fischen liegt seit 20 Jahren im MöltenorterHafen. Die ELKE, sein Fischbratkutter. Und nun das: Eineeigene Partei wurde gegründet, die Maritime Union Deutschlands(MUD). Themen: Fischerei, Landwirtschaft, Tourismus.„Ich habe in meinem Leben viel Schiet gebaut, jetzt will ichmal was richtig machen“, sagt Conny.

 
 Uli Kunz
» Meeresbiologe, Forschungstaucher und Unterwasserfotograf

„Ich tauche dort, wo nie die Sonne scheint.“

Was ein kleiner Hecht alles bewirken kann. Den sah der achtjährigeUli bei seinem ersten Tauchgang. Vor Schreck ging’s abdurch die Mitte bzw. raus aus dem Bodensee. Wasser und Hecht– beides blieb im Gedächtnis verankert. Mit 14 ging’s danndoch in einen Tauchverein. In Kiel und Schweden studierteer Ende der 1990er-Jahre Meeresbiologie und hängte gleichnoch eine Ausbildung zum Forschungstaucher hinten dran. Seitherarbeitet er für Institute wie das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, die Universität Kiel (GEOMAR) und dasOZEANEUM in Stralsund. Ob Karibik, Arktis, Ost- oder Nordsee –wo Wasser ist, ist auch der Herr Kunz. Selbst auf Kreuzfahrtschiffenoder Fotofestivals – dort hält er Vorträge. Seitvier Jahren sein Schwerpunkt: Höhlen- und Brunnentauchgänge.Dort also, wo kein normal denkender Mensch freiwillig reingeht,fühlt er sich pudelwohl. Wohler als im Straßenverkehr.Was ein kleiner Hecht alles bewirken kann.

 
Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen
» Verhaltenswissenschaftlerin

„Der Hund kam auf den Menschen.“

Am Anfang stand die Frage, welche Rolle Goldschakale undWölfe in der Haushundwerdung spielen. Um es hier verhaltensbiologischnicht allzu kompliziert werden zu lassen: Goldschakalekeine, Wölfe eine große. 1978 war diese Frage nochlange nicht abschließend geklärt, da half es, dass sie nachihrer Doktorarbeit an der Kieler Uni dort einen Tiergartenaufbaute. Ja, richtig gehört, in Kiel gab es Wölfe. Und Schakale.Und Kojoten. Plus sonstige Wildkaniden. Sorgen um dengeliebten Schäferhund sind unbegründet, das Gehege ist Vergangenheit.Warum nun Schäferhund? Ihre Forschungen ergaben,dass Schäferhunde sich am weitesten vom Wolf entfernt haben.Oder anders gesagt: Schäferhunden sind Menschen wichtigerals ihre Artgenossen. Die Züchtung lässt grüßen. Wie man dasherausfindet? Ganz einfach, man steckt Haushunde in ein Gehegemit Wölfen. Vorsichtshalber unter Beobachtung. Nach Forschungspreis,mehrfachen internationalen Preisen und siebenBüchern (darunter zwei Standardwerke in Ausdrucksverhaltenund Kommunikation zwischen Mensch und Hund) ist es Zeit, sichanderen Fragen zu widmen. Und endlich das achte Buch fertigzu schreiben.

 
Marc Schnittger
» Puppenspieler

„Die Domäne des Puppentheaters ist das Groteske.“

 

Seine Stimme ist präsent; sein Körper hält sich zurück, seinePuppen sollen die Aufmerksamkeit bekommen – mit klarengroßen Bewegungen und differenzierten Gesten. Die mannshohenPuppen besitzen expressive Gesichter, mal übermäßig breite,mal extrem dünne Extremitäten. Alles muss über größereEntfernungen beim Publikum ankommen. Sein Spiel changiertelegant zwischen szenischer Miniatur und kraftvoller Dramatik:sinnlich, lebendig, mal grotesk, mal fantastisch, aufeiner feinen Linie zwischen Tiefe und Humor. In seinem Repertoiresind überwiegend Solo-Inszenierungen, die für großeund kleine Bühnen konzipiert sind. In Stuttgart studierteer Figurentheater, danach Schauspiel in Hamburg. Seit 1988lebt Schnittger von und mit seinen Puppen. Mit ihnen reisteer nach Frankreich, Holland, Belgien, Polen, Bulgarien, Brasilien,Israel und Ägypten. Im Jahr 2000 vertrat er das LandSchleswig-Holstein auf der Expo in Hannover, 2003 gewanner den Grand Prix beim internationalen Solo-Puppenspieler-Festival in Łódź. Alle zwei Jahre entstehen ein neues Stückund neue Puppen. Er baut sie alle selbst und haucht ihnen aufdiese Weise ein Stück von sich selbst ein.

 
Rona und Gaby Schulz
» Ruderinnen

„Rückwärts ins Ziel.“

Ein bisschen musste Rona zu ihrem Ruderglück gezwungen werden.Gaby, ihre Mutter, selbst erfolgreiche Ruderin (WM-Dritte),erkannte das Bewegungstalent ihrer Tochter und schon saßsie als 15-Jährige im Ruderboot. Nicht zu Unrecht, wie mehreredeutsche Meisterschaften und ein Junioren-Weltmeister-Titel 2011 in Eton Dorney (englische Olympiastrecke) zeigen.1975, als Gaby Schulz „das Wasser bestieg“, war sie in Kieleine von wenigen rudernden Frauen, erst 1973 wurde im EKRCeine Frauenabteilung gegründet. 1977 dann hatte sie sichetabliert. Wie sagte man damals? „Männer rudern auf Zeit,Frauen mit Stil.“ In den 1980er-Jahren trug sie maßgeblichzum weiblichen Wohlgemut im Rudersport bei. Vor allem im„Vierer ohne“ (Boot mit vier Ruderern ohne Steuermann), indem sie 1995 (nach Babypause) Luzern gewann, das Wimbledonder Ruderer. Heute ist es nicht einfacher geworden – egal obals Mann oder Frau. Achtmal die Woche harte Übungseinheiten,kompromisslose Trainingslager, Qualifikation über den Einer,Ausscheidungen im Zweier oder Vierer, die richtigen Trainingsgruppen mit dem richtigen Trainer erwischen – und das ineinem benachteiligten Ruderrevier wie Kiel. Da muss man zähsein, denn Rudern wird in erster Linie im Kopf entschieden.Ganz wichtig, wenn man nur noch wenige Gegner sieht, dannliegt man weit hinten. Noch wichtiger, wenn man gar keinenmehr sieht. Denn dann ist man Letzter. Aber aufgeben gibt esim Ruderer-Jargon nicht. Da muss man sich zwingen.